Tobias Zier – Balance und Bedeutung

Alles macht weiter: die Backsteine machen weiter, die Rahmen machen weiter, die Böcke machen weiter, die Bücher machen weiter, die Hasenköttel machen weiter, die Hula-Hoop-Reifen machen weiter. Kurzum: Die Dinge in ihren Kombinationen machen weiter. Gerade diese Kombinationen aus Alltagsgegenständen und gefundenen Objekten sind es, die die Arbeiten der Künstlerin Anne Römpp auszeichnen. Der Balanceakt wird dabei zum entscheidenden Moment der künstlerischen Arbeit: „Am schönsten ist das Gleichgewicht kurz bevor’s zusammenbricht“, könnte man etwa mit Peter Fischli und David Weiss anmerken. Aber die Arbeiten der in Bayreuth geborenen Künstlerin sind ruhiger, nachdenklicher und nicht auf den Effekt aus. In jedem Fall sind sie auf die Idee zurückzuführen, Dinge verschiedener ,Couleur‘ neu zusammenzubringen. Sie gehen dann in ein anderes ,Gelbʻ, wie es die Arbeit Yellow, bei der ein Holzrahmen und ein Fundstück auf einem Backstein balancieren, andeutet.
Eindrucksvoll werden die Bedeutungsverschiebungen in den kleinen Wandarbeiten Römpps offenbar, die den Schwebezustand und die Balance durch das Zusammenführen magnetischer Kräfte herstellen. Dinge bedeuten dann etwas anderes, wenn sie sich im Nebeneinander und Aufeinander ihrer eigentlich zugedachten Verwendung widersetzen.
Es entstehen auf diese Weise auch selbstreferentielle Fragestellungen zum Status von Objekten und Skulpturen. In der Arbeit mit dem lapidaren Titel Skulptur I etwa ist es ein Buch über die Geschichte der Skulptur von der Antike bis zur Gegenwart, das die Konstruktion im Gleichgewicht hält; sie wird durch das geschichtliche Gewicht erst möglich.
Darüber hinaus wird in Objekt I durch eine bekannte Publikation mit dem Titel „Eine Geschichte der Welt in 100 Objekten“ ein Hula-Hoop-Reifen auf dem Boden gehalten, der ohne das Buch nicht selbständig stehen könnte. Beide Arbeiten – Skulptur I und Objekt I – stabilisieren sich mit ihren eigenen Mitteln und werden dadurch auf sich selbst zurückgeworfen. Die Dinge machen so oder so weiter. Die Gleichgewichtskonstruktionen aus Alltagsgegenständen stellen aber in Anne Römpps Arbeiten besonders in ihren unkonventionellen Konstellationen eine vielfältige Verdichtung her. Durch das Zusammenführen mehrerer Kräfte und Dinge loten sie die veränderbare Waage von Balance und Bedeutung immer wieder neu aus.

Tobias Zier